Die Migräne kam übernacht
Ich war acht Jahre alt, als mich etwas mitten in der Nacht überfiel, das ich bis dahin nicht kannte. Der Schmerz war da, ja – aber was mich wirklich in die Knie zwang, war die Übelkeit. Ich habe mir regelrecht die Seele aus dem Leib gekotzt. Mein Körper war nicht mehr meiner.
Meine Eltern waren besorgt, aber dachten zunächst, ich hätte einfach zu viele Erdnussflips gegessen. Fast eine Packung – allein. Und ja, vielleicht schien das die naheliegende Erklärung. Aber so schnell wie der Spuk gekommen war, war er auch wieder vorbei. Am späten Nachmittag ging es mir zusehends besser, abends aß ich ganz normal. Eine einmalige Sache, dachte man. Und ich dachte es auch.
Der zweite Anfall? Keine Ahnung – ich erinnere mich nicht mehr daran auf jedenfall mit einigem zeitlichen Abstand. Aber irgendwann wurde klar: Das war nicht einfach nur „was Falsches gegessen“. Ich war etwa zehn, als ich beim Kinderarzt landete. Und der sprach das aus, was niemand erwartet hatte: Migräne.
Zur Sicherheit wurde ein CT vom Gehirn gemacht. Das war damals etwas Besonderes – mein Vater fuhr mit mir nach München, ein ganzer Tag, nur für die Untersuchung. Der Befund war unauffällig. Keine Tumore, keine sichtbaren Ursachen. Und trotzdem: Die Migräne war da, Woche für Woche.
Der Arzt suchte nach einer Lösung. Und er fand sie – ein Medikament zur Prophylaxe, das meine wöchentlichen Anfälle fast vollständig verschwinden ließ. Ich war regelmäßig zur Blutentnahme beim Arzt, um Nebenwirkungen rechtzeitig zu erkennen. Es funktionierte. Ein ganzes Jahr lang war ich fast frei. Und dann kam der Schock: Das Medikament wurde vom Markt genommen. Verdacht auf Brustkrebs als Nebenwirkung.
Von da an war die Migräne zurück. Fast jeden Montag ein Anfall. Regelmäßig, zuverlässig, grausam. Man unterstellte mir, ich würde die Schulstunden am Montag nicht mögen – als ob ich den Anfall vortäuschte. Aber sehr oft musste ich mich auch übergeben, das konnte ich ja nicht vortäuschen. Schon gar nicht wenn es so intensiv war, dass man, weil schon völlig leer, die grüne Galle hochwürgt. Ich konnte den Schmerz nicht beeinflussen, nicht verhindern. Mein Körper entschied – und ich war Schach-Matt gesetzt.
Fortsetzung folgt …